Wenn ich einen Film übersetze, stößt das oft auf Bewunderung. Aber ist das wirklich ein Traumjob?

Von Dr. Berthold Forssman

Filme übersetzen klingt für viele Außenstehende erst einmal großartig. „Das muss ja total Spaß machen“, bekomme ich dann oft zu hören – jedenfalls deutlich öfter, als wenn ich gerade an irgendeiner Fachübersetzung sitze. Allerdings gilt es dann, auch das eine oder andere Vorurteil zurechtzurücken. Zunächst einmal gibt es ja nicht nur Spielfilme, sondern auch Dokumentarfilme, Schulungsvideos oder Präsentationen – und längst nicht alle entsprechen meinem Geschmack. Zum anderen ist Filmübersetzen nicht gleich Filmübersetzen: Unter diesem Begriff firmieren nämlich viele Gewerke und ihre jeweiligen Gebiete und Tätigkeiten. Drei davon greife ich hier mal heraus, weil diese bei mir am häufigsten angefragt werden.

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Synchronisation, Voice-over und Untertitel

In Deutschland kommen ausländische Spielfilme in den meisten Fällen in einer Synchronfassung ins Kino, ins Fernsehen oder ins Internet. Die Übersetzung der Dialoge erfordert entgegen der weitverbreiteten Meinung nicht, dass man schon an die späteren Lippenbewegungen der Sprecher denken muss – dafür gibt es die Dialogbuchautoren, Dialogregisseure und natürlich die Sprecher selbst. Aber die müssen möglichst genau wissen, worum es geht. Ein Dialog mit „wenn sie sie finden, können sie sie auch gleich mitnehmen“ sollte möglichst mit Hinweisen versehen werden, auf wen sich die vielen sie‘s beziehen, damit es keine Missverständnisse gibt. Spricht jemand mit starkem Akzent oder ausgeprägtem Slang? Das müssen die nachfolgenden Bearbeiter wissen. Es ist außerdem kaum damit zu rechnen, dass die Sprecher lettische oder isländische Namen automatisch richtig betonen und aussprechen werden. Für mich ist die Arbeit extrem mühsam, wenn keine gute Dialogliste mitgeliefert wird oder Shownotes fehlen, und um die Texte treffend zu übersetzen, muss ich auch den Film bekommen. Abgesehen davon: Schauspieler können improvisieren, Szenen anders geschnitten werden: Auf eine Dialogliste ist also nicht immer hundertprozentig Verlass. Kommt im Hintergrund eine Lautsprecherdurchsage, läuft ein Radio oder der Fernseher? Dann muss zumindest klar sein, worum es geht.

Eine so aufwendige Technik wird bei Dokumentarfilmen und einigen anderen Genres in der Regel nicht angewendet. Hier bleibt die Originalstimme hörbar, doch wird dann nach einigen Sekunden bis kurz vor Schluss der Aussage die Stimme eines Sprechers mit der Übersetzung darübergelegt. Auch ein solches Voice-over hat seine Tücken. Anfang und Ende der Übersetzung sollten in etwa dem gesprochenen Text entsprechen. Bei Dokumentarfilmen sprechen keine Schauspieler mit geübten Stimmen vorgeschriebene Texte, sondern reden Leute, „wie ihnen der Schnabel gewachsen ist“, mit Wiederholungen, Fehlern, ähs und öhs – und auch hier gibt es keineswegs immer eine gute Transkription. Ganz abgesehen davon: Die ständige Aufmerksamkeit, um bloß kein noch so winziges Wörtchen zu überhören, gleichzeitig den Film zu verfolgen und notfalls eine unverständliche Stelle viele Male zu wiederholen – das kann sehr schnell sehr anstrengend werden, so spaßig, interessant oder eindrucksvoll das Endprodukt dann hinterher auch sein mag.

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Untertitel: eine Welt für sich

Untertitel gibt es bei uns sehr wohl, beispielsweise bei Filmen für Festivals, aber auch für diverse andere Produktionen. Generell können wir bei Filmen nicht mit Fußnoten oder Erklärungen arbeiten, aber bei Untertiteln ist es besonders wichtig, den Text möglichst zu verknappen – zu viele Zeichen und Zeilen kann unser Gehirn nicht schnell genug verarbeiten. Brauchen wir ein „Constanze kommt, wenn sie mit der Arbeit fertig ist?“ Das sind immerhin ganze 52 Zeichen und damit eigentlich zu viel für eine Zeile. Ist jedoch klar, wer mit Constanze gemeint ist, tut es auch ein „sie“. Nebensätze sind auch nicht immer günstig: Warum also nicht einfach „Sie kommt nach der Arbeit“? Aus 52 Zeichen sind 25 geworden. Das Übersetzen von Untertiteln ist nicht mit dem Untertiteln gleichzusetzen, denn dazu gehört noch die technische Seite. So müssen Untertitel an der richtigen Stelle ein- und ausgeblendet werden, und sie dürfen auch nicht zu kurz oder zu lange stehenbleiben, weil für die Zuschauer sonst womöglich der ganze Sinn verloren geht. Das Übersetzen von Filmen – egal in welcher Form – stellt also eine komplexe Aufgabe dar, für die ein hohes Maß an Genauigkeit und jede Menge Fingerspitzengefühl und Hintergrundwissen zu kulturellen Besonderheiten nötig ist. Dass das eine Maschine nicht leisten kann, versteht sich von selbst. Aber auch, dass eine solche Übersetzung nicht eben mal schnell nebenbei oder mit dem Umweg über das Englische als sogenannter Brückensprache erledigt werden kann, sondern dass sprachkundige Fachleute ran müssen. Sonst leidet das ganze Werk darunter – und das ist überaus schade und sicher nicht im Sinne des Publikums.

Siehe hierzu auch:
Warum mich Fernsehkrimis immer wieder nerven
Schwedisch lernen mit Maj Sjöwall und Per Wahlöö
Mit dem Mikrofon durch Litauen
Mit allen per Du – Wie geht das?

Berthold Forssman

Über den Autor

Dr. Berthold Forssman studierte an den Universitäten Erlangen, Reykjavík und Kiel Skandinavistik (Nordische Philologie), Slawistik und Germanistik und promovierte nach dem Magister in Skandinavistik an der Universität Jena in Indogermanistik über ein Thema zu den baltischen Sprachen. Seit 2002 ist er als freiberuflicher Übersetzer, Journalist und Autor tätig. Er ist staatlich geprüfter Übersetzer und Prüfer und vom Landgericht Berlin ermächtigter Übersetzer für Schwedisch, Lettisch, Litauisch, Estnisch und Isländisch. Zur persönlichen Website des Autors gelangen Sie hier!