Wer noch nie in Island war, kann sich vermutlich kaum vorstellen, dass man in diesem „Eisland“ auch ganz hervorragend baden kann – und das auch noch im Freien und das ganze Jahr hindurch.

Von Dr. Berthold Forssman

Island besticht bekanntlich durch seine einmalige Natur, und in diesem Zusammenhang fällt auch oft das Wort „Geysir“. Ursprünglich war das aber nur der Eigenname einer einzigen Quelle, und das Wort ist inzwischen die Bezeichnung für eine bestimmte Gattung von Quellen, die in gewissen Abständen eine Fontäne ausstoßen. Und Achtung: Von einem Bad in einem oder dem Geysir ist dringend abzuraten, denn das wäre lebensgefährlich – das Wasser ist dort kochend heiß!

Forssman Übersetzer kochend heiße Quelle
Forssman Übersetzer Freibad Hveragerdi

Warmes Wasser im Überfluss

Island bedeutet wörtlich „Eisland“, und womöglich hat dieser Name in der Wikingerzeit auch abschreckend auf Siedler gewirkt. Die jährlichen Durchschnittstemperaturen sind in der Tat niedrig, und das Meer lädt nicht zum Baden ein. Aber stattdessen kommt an vielen Orten warmes Wasser aus der Erde oder kann leicht an die Erdoberfläche befördert werden. In der Hauptstadt Reykjavík gibt es deshalb eine fast unglaubliche Anzahl an Freibädern, deutlich mehr als in einer deutschen Stadt dieser Größenordnung. Etwas gewöhnungsbedürftig ist höchstens, dass das Wasser manchmal mehr oder weniger stark nach Schwefel riecht.

Warmes Wasser in Hülle und Fülle

Die überwältigende Mehrheit der heißen und warmen Quellen in Island sind also keine Geysire, sondern heißen auf Isländisch „hverir“ oder „laugar“. Schon in den Isländersagas, der mittelalterlichen Literatur Islands über das Leben in der Wikingerzeit, wird geschildert, wie diese Quellen zum Baden und Waschen genutzt wurden. Selbst kleine Städte und Siedlungen können sich heute deshalb Schwimmbäder leisten, wobei es sich fast immer um ganzjährig nutzbare Freibäder mit wannenwarmem Wasser handelt. Ein beliebter Treffpunkt sind die „heitir pottar“ (wörtlich: heiße Töpfe), die es oft auch in verschiedenen Temperaturstufen oder als Whirlpools gibt. Wer zwanglos mit Isländern ins Gespräch kommen und sein Isländisch üben will, ist hier definitiv gut aufgehoben. Eine besondere Sensation aber ist das Baden in der freien Natur, zum Beispiel in Landmannalaugar, wo man selbst bei eisigen Außentemperaturen einfach ins warme Wasser steigt.

Forssman Übersetzer Freibad in Island
Forssman Übersetzer Baden Blaue Lagune

Besonders bekannt ist die Blaue Lagune geworden (auf Isländisch: Bláa lónið). Unweit von Reykjavík wurde das warme Wasser zum Betrieb eines Geothermiekraftwerks in ein Lavafeld geleitet, sodass sich ein See bildete. Erst badeten die Anwohner in dem Wasser mit seiner charakteristischen blauen Farbe, dann wurde daraus nach und nach eine Touristenattraktion. Den warmen Quellen ist es zu verdanken, dass Energiesparen in Island quasi ein Fremdwort ist. Man kann hemmungslos heizen und das Fenster offenstehen lassen, unter fließendem warmem Wasser abwaschen und ohne schlechtes Gewissen oder Sorgen um die Rechnung täglich warm baden. Winter in Island ist etwas für Fortgeschrittene. Aber die Möglichkeit, bei fast jedem Wind und Wetter und pechschwarzer Dunkelheit unter freiem Himmel zu baden und seine eingefrorenen Haare ins Wasser zu tauchen, ist ein ganz besonderes Erlebnis – erst recht, wenn es dann am Himmel auch noch Polarlichter zu genießen gibt. Als Isländisch-Übersetzer werde ich in Deutschland oft gefragt: Ist es dort denn nicht schrecklich kalt? Und dann lautet meine Antwort meistens: Für mich ist es das Land, in dem ich nie unfreiwillig frieren muss.

Siehe hierzu auch:
Der Vulkanausbruch von Heimaey: Die abgewendete Katastrophe
Island im Winter: Reisen für Fortgeschrittene
Island und seine puristische Sprachpolitik: inspirierend und witzig zugleich
Die Isländersagas: Islands Beitrag zur Weltliteratur

Berthold Forssman

Über den Autor

Dr. Berthold Forssman studierte an den Universitäten Erlangen, Reykjavík und Kiel Skandinavistik (Nordische Philologie), Slawistik und Germanistik und promovierte nach dem Magister in Skandinavistik an der Universität Jena in Indogermanistik über ein Thema zu den baltischen Sprachen. Seit 2002 ist er als freiberuflicher Übersetzer, Journalist und Autor tätig und übersetzt aus den Sprachen Schwedisch, Lettisch, Litauisch, Estnisch und Isländisch in seine Muttersprache Deutsch. Er ist staatlich geprüfter Übersetzer für Schwedisch und Lettisch, staatlich überprüfter Übersetzer für Isländisch, staatlicher Prüfer für Estnisch, Lettisch und Isländisch und vom Landgericht Berlin ermächtigter Übersetzer für Schwedisch, Lettisch, Estnisch und Isländisch. Zur persönlichen Website des Autors gelangen Sie hier!