Das Wort Sauna kommt aus dem Finnischen – und dort wie im übrigen nördlichen Ostseeraum reicht die Bedeutung der Saunakultur weit über Wellness oder puren Luxus hinaus.
Heute kennen bei uns wohl alle das finnische Wort „Sauna“ und die dazugehörige Einrichtung. Das war nicht immer so: In prüderen Zeiten verband man damit vor allem Nacktheit und nahm deshalb oft Anstoß an einer solchen Institution. Heute sind Saunen allgemein etabliert, jedoch entweder als Inbegriff von Wellness oder als Luxus für Wohlhabendere. Darüber hinaus haben sogenannte Sauna-Clubs manchmal einen etwas zweifelhaften Ruf erlangt.
Sauna als Lebensmittelpunkt
Wie anders sieht das doch in Finnland und Estland, aber auch in Schweden oder Lettland aus! Zunächst einmal war die Sauna (auf Estnisch heißt sie „saun“, auf Lettisch „pirts“) dort jahrhundertelang ein geradezu unverzichtbarer Bestandteil jedes Gehöfts. Ausländische Besucher stellen zu ihrer Verwunderung auch heute noch fest, dass es in abgelegenen Gegenden zwar manchmal nicht einmal eine Dusche im Haus, dafür aber eine Sauna gibt. In solchen Häusern nimmt nämlich die Sauna die Rolle des Badezimmers ein: Man füllt zusammen mit dem Einheizen einen großen Wasserbehälter, und dann wäscht man sich die Haare, schrubbt sich gründlich ab, schneidet sich die Nägel – und zwar bevorzugt am Wochenende, sodass man die Arbeitswoche in jeder Hinsicht hinter sich lassen kann. Das schwedische Wort für Sauna „bastu“ geht übrigens auf deutsch „Badestube“ zurück.
Noch früher reichte die Bedeutung der Sauna weit darüber hinaus. Weil sie sich in einem separaten Gebäude befand, leicht zu heizen war und dort genug heißes Wasser zur Verfügung stand, war sie der Ort für Geburten. Wo ohnehin ein Ofen angeheizt wurde, nutzte man die Wärme gleich für alle möglichen anderen Zwecke: Schließlich ließ sich dort Brot backen, und das warme Wasser konnte zum Wäschewaschen genutzt werden. Allgemeine Nacktheit war dagegen unüblich: Zwar gingen Familien gemeinsam in die Sauna, aber darüber hinaus herrscht eine strikte Trennung zwischen Männlein und Weiblein. So galt es in Finnland lange auch als Faux-pas, am Samstagabend unangemeldet einen Besuch in einem Wochenendhaus abzustatten, wenn die Bewohner üblicherweise nackt zwischen der Sauna und dem nahegelegenen See hin und her liefen. Und wenn die Parlamentsabgeordneten in die Sauna gehen, geschieht dies fraktionsübergreifend, aber nach Geschlechtern getrennt.
Und heute?
Im modernen und städtischen Finnland dient die Sauna natürlich erst einmal zum Schwitzen und Entspannen. Einfamilienhäuser haben ungleich öfter eine Sauna als bei uns, und zu einem größeren Mietshaus gehört oft eine Sauna wie bei uns eine Waschküche. Dagegen verbindet man Saunen nicht primär mit Lust und Laster. Das führt bei uns manchmal zu Missverständnissen, wenn man in Finnland oder in Estland zu einer Sauna-Party eingeladen wird. Das ist ein geselliges Treffen mit Freunden am Wochenende im Garten oder im Ferienhaus, bei dem meistens zuerst die Frauen und danach die Männer in die Sauna gehen und man sonst ein Handtuch um sich schlingt oder alte Bademäntel trägt. Oft wird ein Feuer angezündet und gegrillt, und Bier gehört auch dazu. Früher nutzte man den Saunaofen bei solchen Gelegenheiten gleich noch, um typische Gerichte wie Aufläufe zu backen. Wer sich bei einer solchen Party allzu deutlich als Ausländer zu erkennen gibt, wird manchmal gerne zum Scherz mit einer Flut von Aufgüssen auf die Probe gestellt. Das ist natürlich etwas ganz anderes als in unseren Trockensaunen, bei denen ein Bademeister zu festgelegten Zeiten einen Aufguss zelebriert, als handle es sich dabei um eine Teezeremonie. Denn darüber lacht man in Finnland und Estland ganz besonders – oder wundert sich darüber, dass bei uns in großen Saunalandschaften Männlein und Weiblein gemeinsam nackt schwitzen.
Siehe hierzu auch:
• Wie schwierig ist Estnisch?
• Talsinki – Europas neue Metropolregion
• Hansedeutsch: die einstige Lingua franca im Ostseeraum
• Ein lettisches Sommermärchen
• Südostestland – zauberhaft und weitgehend unbekannt
Über den Autor
Dr. Berthold Forssman studierte an den Universitäten Erlangen, Reykjavík und Kiel Skandinavistik (Nordische Philologie), Slawistik und Germanistik und promovierte nach dem Magister in Skandinavistik an der Universität Jena in Indogermanistik über ein Thema zu den baltischen Sprachen. Seit 2002 ist er als freiberuflicher Übersetzer, Journalist und Autor tätig. Er ist staatlich geprüfter Übersetzer und Prüfer und vom Landgericht Berlin ermächtigter Übersetzer für Schwedisch, Lettisch, Litauisch, Estnisch und Isländisch. Zur persönlichen Website des Autors gelangen Sie hier!