Viele altgermanische Vornamen scheinen im deutschen Sprachraum weitgehend aus der Mode gekommen zu sein. Dabei haben sie eine interessante Geschichte.
In meiner Geburtsstadt Fribourg (Freiburg/Schweiz) gab es das Hotel „Duc Bertold“, und als kleiner Hosenmatz, der gerade erst lesen gelernt hatte, platzte ich fast vor Stolz, dass das führende Haus am Platze so hieß wie ich. Natürlich erfuhr ich erst viel später, dass der Name von Berthold von Zähringen stammte, der Freiburg in der Schweiz, aber auch Freiburg im Breisgau und weitere Städte gegründet hatte. Mit zunehmendem Alter musste ich außerdem feststellen, dass der Name selbst in den historischen Zähringerlanden selten und darüber hinaus – gelinde gesagt – eher ungewöhnlich ist. An dieser Stelle werden so manche mit Namen wie Gerhild, Friedhelm, Hildegund, Hermann, Dietlind, Germar, Friedegund, Gerwald, Walburg oder Heribert zustimmen oder sogar seufzend nicken. Machen wir uns nichts vor: Viele dieser Namen sind – ob nun vorübergehend oder dauerhaft – aus der Mode gekommen.
Nicht Vorder- und Hinter-, sondern Erst- und Zweitglied
Allerdings sind auch genau dies altererbte germanische Namen in ihrer späteren deutschen Lautung. Betrachtet man sie näher, so fällt auf, dass sie meistens zweisilbig sind, und genau das ist auch das zugrundeliegende Prinzip: Man spricht hier von einem Erst- und einem Zweitglied. Das Zweitglied entscheidet über das Geschlecht des Kindes: Namen auf -hild, -lind(e), -gard, -burg (-borg), -traud(e) oder -gund(e) sind weiblich, Namen auf -hard, -mund, -mar, -ger, -(w)ald (-old), -win oder -rich dagegen männlich. Zu vielen Namen entstanden später Kurzformen wie Inge (zu Ingeborg), Rudi (zu Rudolf), Frieder oder Fritz (zu Friedrich) oder Bernd (zu Bernhard). Auffällig ist, dass viele dieser Erst- und Zweitglieder unterschiedlich kombiniert werden können. So gibt es Dietrich, Diethild und Dietlind mit dem Erstglied Diet-, während die Frauennamen Gerlind(e), Sieglinde und Dietlind sowie die Männernamen Dietmar, Helmar und Germar jeweils dasselbe Zweitglied haben.
(Fast) unendliche Kombinationsmöglichkeiten
Oft werde ich gefragt, was mein Name denn bedeutet. Zwar haben das Erstglied Bert- („glänzend“, „strahlend“) und das Zweitglied -old („Herrscher“, eine Ableitung von „walten“ = „herrschen“) eigene Bedeutungen und ich wäre demnach ein „strahlender Herrscher“, aber viele germanische Namen ergeben eigentlich keinen rechten Sinn: Hild bedeutet „Kampf“, Gun(d) allerdings auch – und es gibt sowohl den Namen Gunhild als auch Hildegund. Entscheidender dürfte bei der Namensgebung gewesen sein, auch die Verwandtschaft zu unterstreichen, beispielsweise durch gleiche Anlaute oder gleiche Zweitglieder. Harald, Arnold, Bernhard, Heinrich, Reinhard, Almut, Eberhard, Gerhard, Dietrich, Ulrich, Friedrich, Gernot, Hildegard, Gunther, Sieglinde – die Liste der germanischen Namen ist lang, und nicht alle sind ungewöhnlich oder hoffnungslos altmodisch.
Rückkehr durch die Hintertür
In Island sind germanische Namen nach wie vor absolut üblich: Dort heißt „man“ tatsächlich Guðrún, Sigurður, Vigdís, Rögnvaldur, Berglind oder Eyjólfur. Auch in Schweden, Norwegen und Dänemark sind die altgermanischen bzw. altnordischen Namen gang und gäbe. Dazu gehören Frauennamen wie Ragnhild, Sigrun oder Sigrid oder Männernamen wie Ulf, Erik oder Sven – und dann gibt es auch weibliche Kurzformen auf -a wie Åsa oder Inga und männliche Kurzformen auf -e wie Yngve, Tore oder Arne. Über das Nordische sind manche dieser germanischen Namen sozusagen durch die Hintertür wieder zu uns zurückgekehrt, zum Beispiel Astrid, Torsten, Gudrun oder Olaf. Ähnliches gilt für Namen wie Ansgar, Edgar, Edmund und weitere germanische Namen, die über den englischen Sprachraum zu uns gelangt sind. Ursprünglich geweckt wurde mein Interesse für dieses spannende Thema übrigens während meiner Magisterarbeit – und noch heute freue ich mich, dass germanische Namen ein immer wieder angefragtes Vortragsthema sind!
Siehe hierzu auch:
• Eine Lanze für die germanische Altertumskunde!
• Die Isländersagas: Islands Beitrag zur Weltliteratur
• Schweden und sein steinernes Erbe
• Island und seine puristische Sprachpolitik: inspirierend und witzig zugleich
Über den Autor
Dr. Berthold Forssman studierte an den Universitäten Erlangen, Reykjavík und Kiel Skandinavistik (Nordische Philologie), Slawistik und Germanistik und promovierte nach dem Magister in Skandinavistik an der Universität Jena in Indogermanistik über ein Thema zu den baltischen Sprachen. Seit 2002 ist er als freiberuflicher Übersetzer, Journalist und Autor tätig und übersetzt aus den Sprachen Schwedisch, Lettisch, Litauisch, Estnisch und Isländisch in seine Muttersprache Deutsch. Er ist staatlich geprüfter Übersetzer für Schwedisch und Lettisch, staatlich überprüfter Übersetzer für Isländisch, staatlicher Prüfer u.a. für Estnisch, Litauisch und Isländisch und vom Landgericht Berlin ermächtigter Übersetzer für Schwedisch, Estnisch, Lettisch, Litauisch und Isländisch. Zur persönlichen Website des Autors gelangen Sie hier!