Für manche großen Sprachen gibt es eine wahre Flut von Unterrichtsmaterial. Aber kleinere Sprachen muss man ab einem gewissen Zeitpunkt meistens autodidaktisch lernen.

Von Dr. Berthold Forssman

Den ersten Kontakt mit dem Sprachenlernen hat man meistens in der Schulzeit. Wer ein philologisches Studienfach wählt oder überhaupt an der Universität eingeschrieben ist, kann dann dort seine Kenntnisse entweder ausbauen oder in ganz andere Sprachen hineinschnuppern. Außerhalb der Universitäten gibt es die Volkshochschulen und allerlei Fortbildungsangebote. Aber wie weit kommt man am Ende damit? Als sogenannter Klein- oder Mikrosprachler habe ich eine ganze Reihe Erfahrungen gemacht, die sicher nicht völlig untypisch sind.

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Wenn der letzte Kurs zu Ende ist

Als Schüler glaubte ich noch fest daran, dass man ein Lehrbuch nur bis zum letzten Kapitel oder bis zum letzten Band durcharbeiten müsse, um die Sprache dann zu beherrschen. Allerdings musste ich zu meinem Erstaunen feststellen, dass meine Kenntnisse trotz Fleiß und Disziplin weder für die Lektüre von Texten noch für ein Gespräch reichten. Mit meinem Interesse an den Sprachen Lettisch, Estnisch und Litauisch stand ich anfangs sowieso allein da, denn an Kurse war nicht zu denken. Immerhin trieb ich ein recht brauchbares auf Schwedisch verfasstes Lettisch-Lehrbuch und auf Russisch verfasste Lehrwerke für Estnisch und Litauisch auf – aber nicht jeder bringt entsprechende Schwedisch- und Russischkenntnisse mit. Auch hier lief es darauf hinaus, dass ich zwar ans Ende, nicht jedoch ans Ziel gelangte. Vor dem Internetzeitalter und kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs waren außerdem Texte kaum erhältlich. Was war ich froh, wenn jemand nach 40 Studen Bahnfahrt im Rucksack eine zerknitterte Zeitung aus Lettland mitbrachte! Heute gibt es hier und da Kurse für Estnisch, Lettisch oder Litauisch, aber meistens kommen sie nicht über zwei Semester hinaus, weil es dann nicht mehr genug Teilnehmer gibt oder von vorneherein nicht mehr als zwei Kurse vorgesehen waren. Nur: Sprachen sind nicht deshalb leichter zu lernen, weil sie klein sind.

Wer wirklich eine Sprache bis zu einem gewissen Niveau lernen will, stößt irgendwann auf die Lücke, die sich spätestens nach dem Ende des Lehrbuchs oder des letzten Kurses auftut. Wenn man keinen individuellen Sprachunterricht nimmt, ist man also irgendwann mehr oder weniger auf sich allein gestellt. Aufenthalte im jeweiligen Land sind natürlich prima, nützen meiner Erfahrung nach allerdings nur, wenn man bereits einige Vorkenntnisse mitbringt oder die Theorie beherrscht und im Alltag in die Praxis umsetzen will.

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Die individuelle Methode macht‘s

Im Laufe der Jahre habe ich mich zum Autodidakten gemausert und mir allerlei Lernmethoden angeeignet, die für mich besonders geeignet sind. Im Unterricht versuchte ich, auch passende individuelle Methoden für die Lernenden zu finden oder zu entwickeln. Das ist noch einmal viel Pionierarbeit, und am Ende hatte ich eigene Lehrbücher verfasst. Leicht ironisch sagte ich irgendwann einmal: „Wenn es die Bücher nicht gibt, die man braucht, muss man sie selber schreiben.“

Siehe hierzu auch:
Wie schreibt man ein Wörterbuch – und warum?
Schwedisch: wirklich alles wie im Deutschen?
Schwieriger geht immer – aber gilt das auch für Sprachen?
Wie schwierig ist Estnisch?
Sprachenlernen ohne Grammatik, ohne Mühe und in 30 Tagen?
Ein Plädoyer für lateinische Grammatikbegriffe!
Schwedisch lernen mit Maj Sjöwall und Per Wahlöö

Berthold Forssman

Über den Autor

Dr. Berthold Forssman studierte an den Universitäten Erlangen, Reykjavík und Kiel Skandinavistik (Nordische Philologie), Slawistik und Germanistik und promovierte nach dem Magister in Skandinavistik an der Universität Jena in Indogermanistik über ein Thema zu den baltischen Sprachen. Seit 2002 ist er als freiberuflicher Übersetzer, Journalist und Autor tätig und übersetzt aus den Sprachen Schwedisch, Lettisch, Litauisch, Estnisch und Isländisch in seine Muttersprache Deutsch. Er ist staatlich geprüfter Übersetzer für Schwedisch und Lettisch, staatlich überprüfter Übersetzer für Isländisch, staatlicher Prüfer für Estnisch, Lettisch und Isländisch und vom Landgericht Berlin ermächtigter Übersetzer für Schwedisch, Estnisch, Lettisch, Litauisch und Isländisch. Zur persönlichen Website des Autors gelangen Sie hier!