Die Isländer wussten schon immer, dass sie nicht nur in einem „Eisland“, sondern auch in einem Vulkanland leben. Also haben sie es zwangsläufig gelernt, mit Erdbeben, Gletscherläufen und weiteren Naturkatastrophen zu leben. Aber 1973 wurde es bei dem Vulkanausbruch auf der Insel Heimaey wieder einmal richtig eng.
Eigentlich hat es Island dem Vulkanismus zu verdanken, dass es überhaupt existiert. Schließlich liegt die Insel über dem mittelatlantischen Rücken, wo sich die eurasische und die nordamerikanische Platte voneinander entfernen, und entsprechend oft kracht es dort oder bebt die Erde. Besonders dramatisch war jedoch der Ausbruch des Vulkans Eldfell auf Heimaey, der größten Insel des Archipels Vestmannaeyjar vor der isländischen Südküste.
Der Ausbruch 1973
Quasi ohne Vorwarnung kam es im Januar 1973 zu einer Eruption des Vulkans in Sichtweite der Siedlung. Diese hatte damals rund 5.000 Einwohner, was erst einmal nach wenig klingt. Aber ganz Island hatte damals nur gut 220.000 Einwohner, was die Dimension der Katastrophe für das Land veranschaulicht. Außerdem spielte Heimaey eine entscheidende Rolle für den Fischfang und damit für die wirtschaftliche Lebensgrundlage des Landes. Die Weltöffentlichkeit verfolgte den Ausbruch gebannt mit, denn was folgte, war auch eine logistische Meisterleistung. So gelang es, in Windeseile alle Einwohner mitsamt Hab und Gut mit Schiffen vor der Lava und dem Ascheregen in Sicherheit zu bringen, die Patienten des Krankenhauses auszufliegen und sogar das Inventar der Fischfabrik einzupacken. Lediglich ein Todesopfer war zu beklagen. Bemerkenswert war auch, wie es den Isländern gelang, Meerwasser auf den Lavastrom zu leiten, dadurch seinen Verlauf zu bestimmen und damit den für die Wirtschaft des Landes so wichtigen Hafen zu retten.
Die Inseln heute
Trotz des überaus erfolgreichen Krisenmanagements war die Katastrophe ein Schock für die Bewohner. Viele kehrten nach der Evakuierung nicht mehr nach Hause zurück, und auch der Wiederaufbau gestaltete sich schwierig: Immerhin musste der ganze Ort verlagert werden. Heute ist davon wenig zu verspüren. Die Siedlung hat hat wieder fast so viele Einwohner wie vor dem Ausbruch. Die Restwärme der Lava wird zum Heizen genutzt, und wie so oft zeigen die Isländer, dass eine Katastrophe nicht das Ende aller Dinge bedeutet. Die Anreise erfolgt problemlos per Fähre vom Festland, und darüber hinaus gibt es einen kleinen Flughafen. Ein von der Lava zerdrücktes Haus wurde als Denkmal stehen gelassen, und ein Museum erinnert an die dramatische Zeit. Beeindruckend für Touristen sind außerdem die Felsen mit unzähligen kreischenden (und scheißenden) Vögeln und einem wunderbaren Blick aufs Meer.
Dort entstand ab 1963 durch vulkanische Aktivitäten vor den Augen der Öffentlichkeit eine neue Insel, die zweitgrößte des Archipels nach Heimaey. Fantasievoll und traditionsbewusst, wie die Isländer nun einmal sind, erhielt sie den Namen Surtsey, benannt nach dem Feuerriesen Surtur aus der altnordischen Mythologie. Für die Wissenschaft war der Fall besonders interessant, denn erstmals konnte man die Entstehung eines sogenannten Tafelvulkans aus unmittelbarer Nähe verfolgen. Ebenso spannend sind aber auch die Untersuchungen zur Besiedlung der Insel durch Pflanzen und Tiere. Surtsey ist daher heute ein Naturschutzgebiet und darf nur zu wissenschaftlichen Zwecken betreten werden. Und welche Bedeutung die Insel in den rund 60 Jahren seit ihrer Entstehung mittlerweile hat, zeigt nicht zuletzt auch ihre Aufnahme in das UNESCO-Welterbe.
Siehe hierzu auch:
• Isländisch und seine tierischen Redensarten
• Island und seine puristische Sprachpolitik: inspirierend und witzig zugleich
• Island im Winter: Reisen für Fortgeschrittene
• Island und seine warmen Quellen: Badespaß zu jeder Jahreszeit
Über den Autor
Dr. Berthold Forssman studierte an den Universitäten Erlangen, Reykjavík und Kiel Skandinavistik (Nordische Philologie), Slawistik und Germanistik und promovierte nach dem Magister in Skandinavistik an der Universität Jena in Indogermanistik über ein Thema zu den baltischen Sprachen. Seit 2002 ist er als freiberuflicher Übersetzer, Journalist und Autor tätig und übersetzt aus den Sprachen Schwedisch, Lettisch, Litauisch, Estnisch und Isländisch in seine Muttersprache Deutsch. Er ist staatlich geprüfter Übersetzer für Schwedisch und Lettisch, staatlich überprüfter Übersetzer für Isländisch, staatlicher Prüfer für Estnisch, Lettisch und Isländisch und vom Landgericht Berlin ermächtigter Übersetzer für Schwedisch, Lettisch, Estnisch und Isländisch. Zur persönlichen Website des Autors gelangen Sie hier!