Es war immer ein Traum von mir, einen eigenen Radiobeitrag zu erstellen. Wie schön, dass dieser Wunsch in Erfüllung gegangen ist – und das nicht nur einmal!
Vor einigen Jahren fuhr ich einmal mit einer befreundeten Kollegin nach Lettland, Estland und Finnland, um eine Reihe von Radiobeiträgen zu verfassen. Dabei habe ich viel Spaß gehabt, eine Menge gelernt – und massenweise aufregende Dinge erlebt. Wer ist schon mal im Cockpit einer Schnellfähre von Tallinn nach Helsinki gefahren oder hat die Rigaer Sprachenpolizei auf einem Einsatz begleitet? Damit wollte ich es natürlich nicht bewenden lassen, und so folgte später die nächste Reise mit dem Ziel Litauen. Und siehe da: Dort war es mindestens genauso spannend.
Planung ist die halbe Miete
Natürlich packt man nicht einfach nur ein Aufnahmegerät und ein Mikrofon ein und macht sich auf den Weg oder anders ausgedrückt: Das wäre in meinem Fall wenig erfolgversprechend gewesen. Zunächst gilt es, Themenvorschläge für die jeweiligen Redaktionen zu erstellen, und wenn diese Beiträge in Auftrag gegeben sind, sollten nach Möglichkeit rechtzeitig Interviewpartner gesucht und angesprochen werden. Dann musste es natürlich einen Zeitplan geben: Erst die Termine in der Hauptstadt Vilnius, dann in Druskininkai im Süden und an der Grenze zu Belarus, gefolgt von Visaginas und Kaunas und dann entlang der Memel bis nach Klaipėda – es fühlte sich an wie „Litauen in drei Wochen“.
Besonders spannend finde ich bei solchen Einsätzen immer drei Dinge: Erstens komme ich mit völlig unterschiedlichen Leuten in Berührung und freue mich, wenn die Gespräche gut laufen oder wir sogar hinterher noch in Kontakt sind. Zweitens gibt es auch immer überraschende spontane Begegnungen mit mitteilungsfreudigen Gesprächspartnern, die sich als wahre Goldgrube erweisen. Und drittens erlebe ich immer wieder Situationen, in die ich als „normaler Sterblicher“ wohl nicht unbedingt oder nur mit großen Aufwand gelangt wäre. Wer hat denn schon mal ein Atomkraftwerk von innen besichtigt? Im litauischen Visaginas war das für mich möglich. Die Oberpriesterin des litauischen Neoheidenkults lud zu sich ein, ein sonst verschlossenes Gotteshaus der Karäer öffnete seine Pforten, ein im Memelland gebuchtes Quartier war nicht nur wunderschön, sondern lieferte auch jede Menge Erkenntnisse.
Bereicherung auf allen Ebenen
Besonders freue ich mich immer, wenn meine verschiedenen Tätigkeiten so wunderbar ineinandergreifen. Ohne meine jeweiligen Sprachkenntnisse könnte ich bei einer solchen Reise nicht so ungehindert und frei mit meinen Gesprächspartnern oder gar bei zufälligen Begegnungen kommunizieren. Anschließend verfüge ich dann über Tonaufnahmen, bei denen die Leute reden, „wie ihnen der Schnabel gewachsen ist“. Das fördert mein Hörverständnis und kommt meinen Lehr- und Wörterbüchern zugute. Und von dieser wunderbar gelebten Praxis und diesem unglaublichen Zuwachs an kultureller Kompetenz profitiert natürlich auch ein weiteres meiner Standbeine, und zwar das des Übersetzers.
Siehe hierzu auch:
• Užupis – vom Elendsquartier zum Szeneviertel
• Litauen: Europas vergessene Großmacht
• Litauens Atomstadt vollzieht den Neustart
• Das Memelland – wenig bekannt und traumhaft schön
Über den Autor
Dr. Berthold Forssman studierte an den Universitäten Erlangen, Reykjavík und Kiel Skandinavistik (Nordische Philologie), Slawistik und Germanistik und promovierte nach dem Magister in Skandinavistik an der Universität Jena in Indogermanistik über ein Thema zu den baltischen Sprachen. Seit 2002 ist er als freiberuflicher Übersetzer, Journalist und Autor tätig. Er ist staatlich geprüfter Übersetzer und Prüfer und vom Landgericht Berlin ermächtigter Übersetzer für Schwedisch, Lettisch, Litauisch, Estnisch und Isländisch. Zur persönlichen Website des Autors gelangen Sie hier!