Die Kriminalromane des schwedischen Autors Bo Balderson gehören zu meinen großen Leidenschaften und sind hervorragende Politsatire der ganz besonderen Art. Trotzdem sind sie bei uns leider weitgehend unbekannt.
Unsere Schwedischdozentin brachte einmal als Kurslektüre den Roman eines Autors namens Bo Balderson mit in den Unterricht. Kaum hatte der Erste begonnen, daraus vorzulesen, begannen die anderen zu kichern, und irgendwann bogen wir uns vor Lachen. Was aber war das Besondere an diesem Buch? Die Romane von Bo Balderson bilden eine ganze Serie mit elf Bänden und sind in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Schließlich gibt es ja eine wahre Flut an (Schweden-)Krimis, und viele davon sind mit Sicherheit überaus raffiniert gestrickt. Aber witzige Krimis dürften schon wesentlich seltener sein. Und wie viele bleiben dann noch übrig, in denen die Hauptperson ein hochrangiger Politiker ist?
Ein Minister als Meisterdetektiv
Die Hauptperson der Serie ist ein Statsråd, also ein Minister. Er gerät durch puren Zufall und ohne jedes Vorwissen in die Politik und ist eigentlich für jedes Amt gleichermaßen ungeeignet, übersteht aber jede Kabinettsumbildung und jeden Machtwechsel. Dabei ist es besonders peinlich für das stramm sozialdemokratisch regierte Schweden der sechziger und siebziger Jahre, dass er aus einer schwerreichen Industriellenfamilie stammt und somit mehr oder weniger alles verkörpert, was die Regierung (vorgeblich) bekämpfen möchte. Zu den vielen, in diesen Romanen thematisierten Widersprüchen der schwedischen Gesellschaft gehört nämlich auch, dass die jahrzehntelang fast ununterbrochen regierenden Sozialdemokraten keinerlei Berührungsängste mit Monarchie, Adel und Geldaristokratie hatten. Mit unpassenden Äußerungen sorgt der – übrigens nie mit wahrem Namen genannte – Minister ständig für Aufregung, und den Gipfel erreicht die Skandalserie, als er einmal selbst unter Mordverdacht gerät. Besorgt ruft der Premierminister bei ihm an und fragt, was sich hinter den wilden Geschichten verbirgt. Der Minister muss bestätigen, dass es solche Vorwürfe gegen ihn tatsächlich gibt, aber da seufzt der Regierungschef erleichtert und meint nur: „Wenn es weiter nichts ist! Viel schlimmer wäre gewesen, wenn du in aller Öffentlichkeit den Sinn der schwedischen Neutralitätspolitik angezweifelt hättest.“
Der mit einer von Band zu Band anwachsenden Kinderschar gesegnete Minister ist zwar auch selbst ein rechter Kindskopf, aber keineswegs auf den Kopf gefallen. Als Watson steht ihm sein grämlicher Schwager zur Seite, ein eingefleischter ältlicher Junggeselle, Lehrer und Ich-Erzähler. Mehr oder weniger unfreiwillig verbringt er alle Schulferien ausgerechnet in einem turbulenten lärmenden Haus voller Kinder und muss dort jedes Mal von Neuem überlegen, ob er als Unterkunft die sengend heiße Dachkammer oder das feucht-kühle Kellerzimmer wählen soll – und wünscht sich jedes Mal, er hätte sich anders entschieden. Natürlich kommt er auch nie dazu, in einer ruhigen Gartenecke im Liegestuhl zu sitzen und anspruchsvolle Geschichtswerke auf Deutsch wie „Das alte Ägypten“ zu lesen, sondern wird zu seinem Ärger ständig unterbrochen, bevor endlich das Verb des Satzes kommt. Und natürlich wird er ständig in Mordfälle verwickelt, die mit einer Mischung aus burlesken Szenen, Klamauk und großem Witz einhergehen und am Ende von seinem Schwager gelöst werden.
Und wer steckt dahinter?
Natürlich sind nicht alle politischen Witze einem ausländischen Publikum auf Anhieb zugänglich, doch vermag man sich auch ohne größeres Vorwissen eine Menge zusammenzureimen oder muss schon allein über die Formulierungen oder die teilweise geradezu grotesken Szenen lachen. Die Romane lassen dabei allerdings auf erstaunliche Insiderkenntnisse des Autors schließen, und tatsächlich handelt es sich bei Bo Balderson um ein bis heute nicht gelüftetes Pseudonym. Immer wieder gibt es neue Gerüchte, wer sich dahinter verbergen könnte, und immerhin erschienen die Romane zwischen 1968 bis 1990, also über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hinweg. Doch der Verlag hält bis heute eisern dicht, und die Schweden müssen deshalb weiter darüber spekulieren, wer so viel über die innersten Kreise ihrer Politik und Verwaltung weiß und dies so gekonnt in literarische Formen zu gießen vermochte. Im deutschen Sprachraum müssen wir bedauern, dass nur wenige dieser Bücher übersetzt worden sind. Es gibt hier also noch allerhand zu entdecken!
Siehe hierzu auch:
• Schwedisch lernen mit Maj Sjöwall und Per Wahlöö
• Schwedisch: wirklich alles wie im Deutschen?
• Mit allen per Du – Wie geht das?
• Mir fehlt ein Wort!
Über den Autor
Dr. Berthold Forssman studierte an den Universitäten Erlangen, Reykjavík und Kiel Skandinavistik (Nordische Philologie), Slawistik und Germanistik und promovierte nach dem Magister in Skandinavistik an der Universität Jena in Indogermanistik über ein Thema zu den baltischen Sprachen. Seit 2002 ist er als freiberuflicher Übersetzer, Journalist und Autor tätig und übersetzt aus den Sprachen Schwedisch, Lettisch, Litauisch, Estnisch und Isländisch in seine Muttersprache Deutsch. Er ist staatlich geprüfter Übersetzer und staatlicher Prüfer für Schwedisch, Isländisch, Litauisch, Lettisch und Estnisch sowie vom Landgericht Berlin ermächtigter Übersetzer für Schwedisch, Litauisch, Lettisch, Estnisch und Isländisch. Zur persönlichen Website des Autors gelangen Sie hier!