Viele schwedische Wörter kommen uns bekannt vor, und auch in der Grammatik gibt es zahlreiche Parallelen zum Deutschen: Schließlich sind die beiden Sprachen miteinander verwandt. Aber der Teufel steckt im Detail.
Für sogenannte „kleine Sprachen“ sind oft viel weniger Unterrichtsstunden vorgesehen. Schließlich ist die Zahl der Interessenten üblicherweise geringer, und folglich sind die Kurse heterogener und das Material nicht unbedingt an die jeweilige Zielgruppe angepasst. Ab einem bestimmten Zeitpunkt gibt es dann meistens nicht mehr genug Teilnehmer für weitere Kurse, obwohl der Gesamtstoff längst nicht abgeschlossen ist. Dabei entscheidet natürlich nicht die Zahl der Sprecher über den Schwierigkeitsgrad einer Sprache. Beim Schwedischen kommt noch hinzu, dass es viele Ähnlichkeiten mit dem Deutschen hat: Beides sind germanische Sprachen, und außerdem wurde das Schwedische jahrhundertelang stark vom Deutschen beeinflusst. Umso größer ist daher die Versuchung, manche Phänomene gar nicht erst genauer zu erklären, und die Botschaft lautet dann mehr oder weniger unterschwellig: Eigentlich ist das doch alles wie im Deutschen. Aber stimmt das wirklich?
Der Teufel steckt im Detail
Zu den Tücken des Schwedischen gehört zunächst einmal die Aussprache, die den meisten Deutschen anfangs alles andere als leichtfällt. Die Vokale sind ungewohnt, ebenso die Intonationen, die den charakteristischen schwedischen „Singsang“ bewirken. Auch ist die Rechtschreibung nicht besonders gut an die Lautung angepasst und sieht viele Ausnahmen vor. Ein „o“ kann lang oder kurz ausgesprochen werden, und manchmal klingt es auch wie ein langes oder kurzes deutsches „u“. Wird „hov“ als [ho:w] gesprochen, bedeutet es „Hof“, als [hu:w] dagegen „Huf“. Eine stark abgeschliffene Aussprache erschwert das Hörverständnis enorm. Und was die Grammatik betrifft: Es gibt zwar etwas weniger Flexionsendungen als im Deutschen, aber das heißt keineswegs, dass sie nicht vorhanden oder besonders leicht zu erlernen wären.
Viele Probleme des Schwedischen entstehen sogar gerade wegen der großen Ähnlichkeit zum Deutschen. Es gibt eine Fülle sogenannter falscher Freunde, oder die Wörter haben zumindest eine andere Bedeutungsnuance. So isst man abends „middag“, der „saft“ entspricht einem Sirup zum Verdünnen, „halm“ ist das Stroh, „strå“ dagegen der Halm. Es fällt uns nicht schwer, „en massa problem“ zu verstehen, aber wir würden es eher mit „ein Haufen Probleme“ übersetzen. Die Schweden würden dagegen „en hög problem“ sicher verstehen, aber eher ungewöhnlich finden. Schwedisch „en hel massa“ ist übrigens nicht etwa „eine heile (und erst recht keine helle!) Masse“, sondern eine ganze Menge. Und da „stund“ nicht Stunde, sondern „Weile“ bedeutet, sollte man aufpassen, wenn in einem schwedischen Backbuch „baka en stund“ steht – sonst könnte es nach Ablauf dieser „stund“ unangenehm brenzlig in der Küche riechen.
Es gibt noch viel zu entdecken
Auf einmal stehen also wesentlich mehr Besonderheiten und Ausnahmen im Raum als ursprünglich erwartet, und der Satzbau ist ständig für neue Überraschungen gut. Das gilt beispielsweise für die Verwendung der Präpositionen: Wenn ich einen Knopf „i tio sekunder“ drücke, tue ich das nicht „in“, also nach Ablauf von zehn Sekunden, sondern ich behalte meinen Finger dort ganze zehn Sekunden lang. Im Schwedischen rührt man sich „ur fläcken“, also aus und nicht vom Fleck, und die Sonne verweilt beim und nicht am Horizont. Neben avbryta „abbrechen“ gibt es auch ein zerteiltes bryta av mit derselben Bedeutung – bloß wann passt welches? Ebenso gibt es upphöra neben höra upp („aufhören“), sammanfalla neben falla samman („zusammenfallen“) und viele weitere solcher Verben. Wann verwende ich übrigens die bestimmten und unbestimmten schwedischen Artikel? Keineswegs immer so wie im Deutschen, denn die Schweden sagen nur „hon har möjlighet att“, also „sie hat Möglichkeit zu“. Ebenso heißt es wörtlich „ich bin hier mit Auto“ (jag är här med bil) und „ich bin auf Weg nach Hause“ (jag är på väg hem). Besuche ich jemanden in regelmäßigen Abständen, wähle ich hierfür nicht das Wort „avstånd“, sondern „med jämna mellanrum“, wobei uns „mellanrum“ (Zwischenraum) mit seinem Zweitglied -rum viel mehr an einen räumlichen als an einen zeitlichen Begriff erinnert. Wer also glaubt, man könne immer bequem 1:1 aus dem Deutschen übersetzen, wird bald eines Besseren belehrt.
Aufmerksame Schüler, die mehr als nur Grundkenntnisse erwerben wollen, stellen daher schon bald viele Fragen oder fühlen sich verunsichert – und je länger ich solche Beispiele für meine Wörter- und Lehrbücher sammle, desto mehr Überraschungen erlebe ich.
Siehe hierzu auch:
• Schwedisch lernen mit Maj Sjöwall und Per Wahlöö
• Die Romane von Bo Balderson: Schwedenkrimis und wunderbare Politsatire
• Sprachen lernen ohne Grammatik, ohne Mühe und in 30 Tagen?
• Falsche Freunde – von lustig bis tückisch
Über den Autor
Dr. Berthold Forssman studierte an den Universitäten Erlangen, Reykjavík und Kiel Skandinavistik (Nordische Philologie), Slawistik und Germanistik und promovierte nach dem Magister in Skandinavistik an der Universität Jena in Indogermanistik über ein Thema zu den baltischen Sprachen. Seit 2002 ist er als freiberuflicher Übersetzer, Journalist und Autor tätig und übersetzt aus den Sprachen Schwedisch, Lettisch, Litauisch, Estnisch und Isländisch in seine Muttersprache Deutsch. Er ist staatlich geprüfter Übersetzer für Schwedisch und Lettisch, staatlich überprüfter Übersetzer für Isländisch, staatlicher Prüfer für Estnisch, Lettisch und Isländisch und vom Landgericht Berlin ermächtigter Übersetzer für Schwedisch, Lettisch, Estnisch und Isländisch. Zur persönlichen Website des Autors gelangen Sie hier!