Zwischen verwandten Sprachen gibt es häufig das Phänomen der sogenannten falschen Freunde. Manche sind lustig, aber es kann dadurch auch zu echten Missverständnissen kommen.

Von Dr. Berthold Forssman

Zwischen zahlreichen Sprachen gibt es Wörter, die zufällig gleich aussehen, aber etwas völlig anderes bedeuten, z.B. isländisch „kind“ (Schaf) oder italienisch „caldo“ (warm). Viel spannender finde ich jedoch Wörter aus verwandten Sprachen, die tatsächlich auf dieselbe Vorform zurückgehen und bei denen man die ursprüngliche gemeinsame Bedeutung noch erahnt, die heute jedoch unterschiedliche Dinge bezeichnen.

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Wo die Verwandtschaft nur teilweise hilft

Von meinen fünf Arbeitssprachen sind jeweils zwei enger miteinander verwandt: Schwedisch und Isländisch sind beides nordgermanische Sprachen und dadurch auch enger mit dem Deutschen verwandt, Lettisch und Litauisch sind baltische Sprachen, und der nächste Verwandte des Estnischen ist das Finnische, das ich lange gelernt habe.

Über die falschen Freunde im Schwedischen habe ich schon einmal geschrieben (siehe dazu den Beitrag: „Schwedisch: wirklich alles wie im Deutschen?“). Dort isst man abends „middag“, die „stund“ dauert nur eine kurze Weile, und „svimma“ sollte man lieber nicht im Wasser, denn es bedeutet „in Ohnmacht fallen“. Die Gegenüberstellung mit der eigenen Muttersprache finde ich allerdings in der Regel einfacher, als wenn ich zwei miteinander verwandte Fremdsprachen lerne. Lettisch „valdība“ entspricht lautlich litauisch „valdyba“, nur heißt das eine „Regierung“, das andere „(Unternehmens-)Vorstand“. Litauisch „duona“ ist das Brot, lettisch „dona“ nur der Brotkanten, und lettisch „ēst“ (essen) entspricht litauisch „ėsti“ (fressen). Litauer amüsieren sich in Lettland daher immer über die „ēdnīca“ (Kantine), weil das Wort für sie eher wie die Fressrinne in einem Schweinestall klingt.

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Und als Übersetzer?

Wenn ich sage, dass ich mehrere Fremdsprachen gelernt habe und mit ihnen arbeite, kommt regelmäßig die erstaunte Frage: „Ja, kommst du da nicht durcheinander?“ Teils, teils, würde ich da sagen. Für das Übersetzen spielt es für mich keine Rolle, denn da beherrsche ich meinen Wortschatz. Wenn ich dagegen von jetzt auf gleich von einem lettischen Gespräch ins Litauische überwechseln soll, muss ich erst einmal umschalten. Besonders bei Finnisch und Estnisch komme ich da manchmal ins Straucheln. Finnisch „pieni“ (klein) entspricht estnisch „peen“, das allerdings „zierlich“ bedeutet. Finnisch „linna“ ist die Burg, estnisch „linn“ die Stadt. Finnen sollten sich hüten, Essen in Estland als „halpa“ (billig) zu loben, denn estnisch „halb“ bedeutet „schlecht“ – hier war die ursprüngliche Bedeutung wohl so etwas wie „minderwertig“. Man sieht also, dass es auch und gerade die Muttersprachler eng verwandter Sprachen untereinander nicht leicht haben. Ich erinnere mich an eine schöne Stelle in einem estnischen Roman, wo man sich in Helsinki mit Finnen trifft und sich die Gastgeberin um eine „ostseefinnische“ Kommunikation bemüht. Mit ihrem „jetzt bete ich die Fremden ans Brett“ sorgt sie allerdings für Erheiterung bei den Esten, auch wenn diesen natürlich klar ist, dass sie gerade als Gäste an den Tisch gebeten werden.

Siehe hierzu auch:
Wie schwierig ist Estnisch?
Schwedisch: wirklich alles wie im Deutschen?
Sprachverwandtschaften als Lernhilfe

Berthold Forssman

Über den Autor

Dr. Berthold Forssman studierte an den Universitäten Erlangen, Reykjavík und Kiel Skandinavistik (Nordische Philologie), Slawistik und Germanistik und promovierte nach dem Magister in Skandinavistik an der Universität Jena in Indogermanistik über ein Thema zu den baltischen Sprachen. Seit 2002 ist er als freiberuflicher Übersetzer, Journalist und Autor tätig. Er ist staatlich geprüfter Übersetzer und Prüfer und vom Landgericht Berlin ermächtigter Übersetzer für Schwedisch, Lettisch, Litauisch, Estnisch und Isländisch. Zur persönlichen Website des Autors gelangen Sie hier!